drinnen = draußen, draußen = drinnen
2022 | Installation / Cut-out-Objekte, min. 14-teilig
Wabenkarton mit doppelseitigen Fotos, Acrylglas-Aufsteller, Nylonschnur
330 x 280 x 40 cm (hier)
Installation drinnen = draußen, draußen = drinnen Dieses Werk ist im Rahmen der Ausstellung Entlastungen speziell für das Schaufenster der Galerie ‚Popcorner‘ konzipiert worden. Die Idee bestand darin, die Scheiben der Fenstergalerie als durchlässigen, ‚durchgängigen‘, (un)durchschaubaren Spiegel zu begreifen. Zugleich sollte das Fenster als Reflexionshorizont, Symmetrieebene, Schnittstelle zwischen Kunst auf der einen Seite und Wirklichkeit auf der anderen verstanden werden. Einerseits sollten Dinge, Menschen, Geschehnisse aus dem Innenraum nach außen gelangen, vor allem aber sollten Dinge, Menschen, Geschehnisse von außen in den Ausstellungsraum bzw. in das Schaufenster gelangen: drinnen = draußen, draußen = drinnen.
Die Ausstellung Entlastungen wurde zudem von zwei Aktionen gerahmt: Abwiegen, die erste Aktion, bestehend aus Gesprächen mit Passanten und dem Wiegen von Gepäckstücken auf der Straße, bildete inhaltlich die Voraussetzung für die Installation drinnen = draußen, draußen = drinnen. Die zweite Aktion releasing, eine Art Happening unter Einbeziehung des Publikums, stellte den Abschluss der Schau dar und fand an der Schnittstelle zwischen Galerie und Straße statt.
Erste Aktion Abwiegen Abwiegen, die erste Aktion, diente dazu, das soziale Umfeld in der Nachbarschaft der Galerie in das Werk einzubeziehen: Ich habe Menschen auf der Straße angesprochen und sie darum gebeten, mir ihr Gepäck auszuhändigen, um es mit einer digitalen Handwaage vor Ort zu wiegen. Bei dem Gepäck handelte es sich um Fahrradtaschen, Rucksäcke, Einkaufskörbe, Tüten, Taschen, Trolleys und mehr.
In einer Art Interview habe ich die Personen während des Wiegens nach ihren individuellen Belastungen gefragt. Unter den ca. 25 stattgefundenen Dialogen fanden sich viele persönliche, mitunter bewegende Gespräche. Die genannten Sorgen wurden jeweils zusammen mit dem exakten Gewicht des Gepäcks in Kilogramm von mir notiert. Das auf diese Weise gesammelte Material gerann anschließend zu der Raum- bzw. Fensterinstallation drinnen = draußen, draußen = drinnen: Die gekürzten – aber unveränderten – Äußerungen der Passantinnen und Passanten waren auf überdimensionierten Foto-Cut-outs von Eigengewichten zu lesen, die schwebend über Foto-Silhouetten verschiedener, lebensgroßer Waagen montiert wurden. Die auf Wabenkarton kaschierten Fotos zeigten die Gewichte mit dem Text und die Waagen auf der einen Seite regulär und auf der anderen Seite spiegelverkehrt. Die Pappsilhouetten erinnerten an die, bei Schaufenstergestaltungen häufig benutzten, Werbeträger. Die Verwendung von Spiegelschrift auf jeweils einer Seite der Silhouetten rief die Assoziationen ‚Spiegel‘ und ‚Reflexion‘ hervor. Indem das Werk in einem Schaufenster ausgestellt wurde und von außen durch die Scheibe rezipiert werden konnte, gelangte das Innen in das Außen.
mehr
Bildinfo
Abwiegen
2022 | erste Aktion (auf der Straße)
Klemmbrett, Stift, Papier, elektronische Handwaage
Menschen rund um die Galerie werden gebeten, ihre Gepäckstücke mittels digitaler Handwaage wiegen zu lassen und von ihren Belastungen zu berichten.
Zweite Aktion releasing
Die zweite Aktion releasing, eine Art Happening unter Einbeziehung des Publikums, fand während der Finissage statt. Passantinnen und Passanten sowie geladene Gäste waren aufgefordert, vier Aktionsstationen (‚schreiben‘, ‚wählen‘, ‚wägen‘, ‚werfen‘) zu durchlaufen. Zum Schluss flogen Koffer aus dem Inneren der Galerie (‚drinnen‘) auf die Straße (‚draußen‘): drinnen = draußen.
An der ersten Station (‚schreiben‘) notierten die Teilnehmenden mindestens eine ihrer Belastungen auf einen Zettel, der die Form eines Gewichtsstückes hatte. Dieser wurde zerknüllt und im zweiten Schritt (‚wählen‘) in ein selbst gewähltes Gepäckstück gesteckt. Im dritten Schritt (‚wägen‘) wurde das Gepäckstück mit dem enthaltenen Zettel auf eine Waage gelegt. Das ermittelte Gewicht wurde auf einem Aufkleber notiert, der auf dem Gepäckstück platziert wurde. Zuletzt (‚werfen‘) wurde das Gepäckstück von einer Stufe am Eingang der Galerie hinaus auf den Bürgersteig geschleudert. Die Beteiligung war rege und an der Straßenecke vor dem ‚Popcorner‘ sammelte sich im Laufe der Finissage ein Haufen von über 40 Koffern, Taschen und Rucksäcken.
mehr
Bildinfo
releasing (Stationen ‚schreiben‘, ‚wählen‘, ‚wägen‘)
2022 | zweite Aktion (in der Galerie und auf der Straße)
Waage, vier Schilder (‚schreiben‘, ‚wählen‘, ‚wägen‘, ‚werfen‘), Klemmbretter, Stifte, Papier in Form von Gewichten, Stühle, Aufkleber, über 40 Gepäckstücke (Rollkoffer, Rucksäcke, Umhängetaschen, Handtaschen, Aktentaschen, Reisetaschen, Shopper, Gitarrentasche, Schlittschuhtasche, Einkaufstrolley, Hutkoffer und mehr)
in sich gehen / abwägen / herausgehen / abgeben
in sich gehen / abwägen / herausgehen / abgeben
Bildinfo
releasing (Station ‚werfen‘)
2022 | zweite Aktion (in der Galerie und auf der Straße)
Waage, vier Schilder (‚schreiben‘, ‚wählen‘, ‚wägen‘, ‚werfen‘), Klemmbretter, Stifte, Papier in Form von Gewichten, Stühle, Aufkleber, über 40 Gepäckstücke (Rollkoffer, Rucksäcke, Umhängetaschen, Handtaschen, Aktentaschen, Reisetaschen, Shopper, Gitarrentasche, Schlittschuhtasche, Einkaufstrolley, Hutkoffer und mehr)
releasing (Station ‚werfen‘)
2022 | zweite Aktion (in der Galerie und auf der Straße)
Waage, vier Schilder (‚schreiben‘, ‚wählen‘, ‚wägen‘, ‚werfen‘), Klemmbretter, Stifte, Papier in Form von Gewichten, Stühle, Aufkleber, über 40 Gepäckstücke (Rollkoffer, Rucksäcke, Umhängetaschen, Handtaschen, Aktentaschen, Reisetaschen, Shopper, Gitarrentasche, Schlittschuhtasche, Einkaufstrolley, Hutkoffer und mehr)
Werkgruppe Abwägen
In dieser Werkgruppe beschäftige ich mich mit Leichtigkeit und Masse, mit Freiheit und Last, mit dem einfachen und dem umständlichen Weg, mit Schwermut und Glückseligkeit, mit ethischen Entscheidungsfindungen und persönlicher Entscheidungsfreiheit, mit moralischen und weltreligiösen bzw. mythologischen Wertvorstellungen, mit Totengerichten und Jenseitsvorstellungen.
Die metaphorische Kraft von leicht und schwer, Gewicht und Waage fand Eingang in unsere Sprachen und unsere Mythologien bzw. Religionen: Wir sind schwermütig oder leichtfüßig, etwas fällt uns leicht oder schwer, manches erscheint leicht oder belastet uns, wird lästig, leichterhand gelingt uns gelegentlich Großes, manches Mal zeigt sich, dass wir leichtsinnig oder Schwerenöter:innen sind, sogar unsere Cola kann light sein oder das Grün eines Kleides. Leicht lässt sich etwas sagen und schwer umsetzen. War das sein schwerstes Vergehen? Viel-Leicht gibt uns das zu denken.
Die altägyptische Religion kennt ein Totengericht, bei dem die Feder der Göttin Maat gegen das Herz des/der Verstorbenen aufgewogen wird. Aequitas bzw. Justitias Attribut ist die Waage.
Als direktes oder indirektes künstlerisches Medium dienen mir in dieser Werkgruppe tatsächliche technische Messinstrumente – wie Waagen – und Eichgewichte, welche teilweise mit anthropomorphen, anatomischen Modellen bzw. menschlichen Versatzstücken – u. a. aus den Bereichen der Medizin und der Biologie kombiniert werden.