Objekte (Es sich) schwer machen
Die Holzkiste mit acht Metallobjekten des Werkes (Es sich) schwer machen ist einem Gewichtsatz nachempfunden. Statt der Prüfgewichtsstücke sind jedoch Tetrapak-Abgüsse darin zu finden.
Zu den Gemeinsamkeiten dieser Arbeit mit der direkten Realität zählt, dass die Wägestücke dieser künstlerischen Arbeit aus Vollmessing gegossen wurden. Zudem wurde die tatsächliche Masse der einzelnen Messingobjekte nach dem Guss in kg ermittelt und die Angaben mit Hilfe von Schlagbolzen auf die ‚Gewichte‘ geprägt – so wie ‚echte‘ Gewichtstücke mit Masseangaben gekennzeichnet sind.
Auch die Aufbewahrung der Messingstücke entspricht der Wirklichkeit des Gebrauchsgegenstandes: Die Truhe wurde aus Hartholz gefertigt, ist außen lackiert und gebeizt; innen wurde das Buchenholz unbehandelt gelassen. Weiterhin ist der Deckel mit Scharnieren an der Kiste befestigt und kann mit Haken arretiert werden. Anders als die Aufbewahrungsboxen von Gewichtsätzen erhielt der Behälter hier zwei Griffe.
Tetrapak-Verpackungen werden im Alltag häufig und in diversen Formaten verwendet. Ihre Handhabe ist uns so vertraut, dass wir im Geschäft je nach Größen bzw. Literangaben der Tetrapak-verpackten Waren wissen, welche Masse unsere Hand erwartet. Die Massestücke des Werkes (Es sich) schwer machen sind allerdings ungleich schwerer als die Gewichtsstücke in einem Set und kaum einhändig anzuheben. Ich mache die Welt schwerer als sie ist.
Objekt Von schwerer Hand
Diese ‚schwere Hand‘ ist aus 27 Gewichtstücken zusammengesetzt. Jedes davon entspricht in Form und Anordnung annähernd einem der 27 menschlichen Handknochen (Fingerknochen, Mittelhandknochen und Handwurzelknochen). Durch die Verbindung mittels Metalldraht erhält die Hand aus Gewichten ähnliche Beweglichkeit wie die Hand eines anatomischen Modells.
Die Redewendung „von leichter Hand“ für eine Tätigkeit, die für jemanden einfach zu bewältigen war, kehre ich für dieses Werk um. Ich finde einen dreidimensionalen, metaphorischen Ausdruck für eine Handlung oder Aufgabe, die schwer gefallen ist: Sie ging ‚von schwerer Hand‘.
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Bildinfo
Von schwerer Hand (Details)
2022 | Objekt
27 Gewichtsstücke, Eisendraht
7 x 50 x 35 cm
„Das Objekt von Josephine Riemann ist aus 27 Gewichtsstücken zusammengesetzt. Die Anordnung der Gewichte, ihre Form und Größe sind an den Knochenbau der menschlichen Hand angelehnt. 27 Knochen insgesamt, Knochen der Handwurzel, der Mittelhand und viermal drei und einmal zwei Knochen für die fünf Finger sind mittels eines Metalldraht verbunden. So erhält die Hand aus Gewichten ähnliche Beweglichkeit wie die Hand eines anatomischen Modells.
Das Werk Von schwerer Hand stammt aus der Serie Gewicht haben. Diese ist der umfangreichen Werkgruppe Abwägen zugeordnet. Die Künstlerin hat neben der Kunst auch Biologie studiert und beschäftigt sich in ihrer künstlerischen Arbeit mit körperlichen Aspekten der Schwere. Diese überträgt sie auch metaphorisch in sprachliche Begriffe wie verhobene Kraftanstrengung / gebeugter Rücken / aufrechter Gang / schweren Herzens / … fiel hin / viel schwer ... etc.
Das Objekt verdeutlicht eine Schwere, die wir landläufig als Schwerkraft bezeichnen, und mit der wir immer auf Erden konfrontiert sind. Physikalisch betrachtet handelt es sich um Materie aus Teilchen, die Masse besitzen, zum Unterschied z.B. zu Licht. Alle diese Formationen mit Masse unterliegen der Gravitation, so auch der menschliche Körper und seine Zellen. Nur Astronauten fernab im Weltraum sind von dieser Schwere befreit. Von schwerer Hand stellt diesen Aspekt, den man aus Gewohnheit als Selbstverständlichkeit erlebt, imposant in den Raum.“
Text von Elisa Asenbaum, 2023, G.A.S-station, Berlin
Bildinfo
Von schwerer Hand (Details)
2022 | Objekt
27 Gewichtsstücke, Eisendraht
7 x 50 x 35 cm
rostfreies Streben / eingerostete Beweglichkeit / fiel hin / fiel schwer / while listening to heavy metal / das ist schwere Kost
In dieser Werkgruppe beschäftige ich mich mit Leichtigkeit und Masse, mit Freiheit und Last, mit dem einfachen und dem umständlichen Weg, mit Schwermut und Glückseligkeit, mit ethischen Entscheidungsfindungen und persönlicher Entscheidungsfreiheit, mit moralischen und weltreligiösen bzw. mythologischen Wertvorstellungen, mit Totengerichten und Jenseitsvorstellungen.
Die metaphorische Kraft von leicht und schwer, Gewicht und Waage fand Eingang in unsere Sprachen und unsere Mythologien bzw. Religionen: Wir sind schwermütig oder leichtfüßig, etwas fällt uns leicht oder schwer, manches erscheint leicht oder belastet uns, wird lästig, leichterhand gelingt uns gelegentlich Großes, manches Mal zeigt sich, dass wir leichtsinnig oder Schwerenöter:innen sind, sogar unsere Cola kann light sein oder das Grün eines Kleides. Leicht lässt sich etwas sagen und schwer umsetzen. War das sein schwerstes Vergehen? Viel-Leicht gibt uns das zu denken.
Die altägyptische Religion kennt ein Totengericht, bei dem die Feder der Göttin Maat gegen das Herz des/der Verstorbenen aufgewogen wird. Aequitas bzw. Justitias Attribut ist die Waage.
Als direktes oder indirektes künstlerisches Medium dienen mir in dieser Werkgruppe tatsächliche technische Messinstrumente – wie Waagen – und Eichgewichte, welche teilweise mit anthropomorphen, anatomischen Modellen bzw. menschlichen Versatzstücken – u. a. aus den Bereichen der Medizin und der Biologie kombiniert werden.